Schweiz zwischen den Fronten: Wie Trumps Zollschock das Verhältnis zu den USA neu definiert

 Schweiz zwischen den Fronten: Wie Trumps Zollschock das Verhältnis zu den USA neu definiert

Donald Trump zeigt im Rosengarten des Weissen Hauses eine Übersicht über neue Importzölle – darunter auch 31 % für die Schweiz. Die Ankündigung löste in Bern einen wirtschaftspolitischen Schock aus.

Einleitung

Es begann mit einer politischen Überraschung — und endete mit ernüchternder Klarheit. Für die Schweiz war die jüngste Eskalation in den US-Handelsbeziehungen keine theoretische Gefahr, sondern ein greifbarer Weckruf. Der US-Präsident hat mit seinen Zöllen dem Land vor Augen geführt, wie fragil selbst ein vermeintlich stabiler Handelspartner sein kann. Diese alte Einsicht, dass man im globalen Handel nicht auf schlichten Wohlstand bauen kann, muss nun neu interpretiert werden.

Der Schockmoment: „Liberation Day“ und die Zollerhöhung

Am 2. April 2025 kündigte Trump im Rosengarten des Weiß­en Hauses neue Zölle an — erklärtermaßen zur „Befreiung“ der amerikanischen Wirtschaft. Für die Schweiz bedeutete dies konkret: Der US-Zollsatz auf Schweizer Güter wurde zunächst mit 31 % ausgewiesen. Im Verlauf wiederum stieg der Satz sogar auf 39 %.

Diese Zöllerhöhung traf die Schweiz mitten in ihrer Rolle als verlässlicher Handelspartner: Exportnationen wie die Schweiz, mit hohem Spezialisierungsgrad (Präzisionsmaschinen, Uhren, Pharma), sahen sich plötzlich nicht mehr nur mit Wettbewerb, sondern mit politisch motivierten Hürden konfrontiert.

Für die Schweiz war dieser Moment der Schock: Nicht weil Handelspolitik sich ändern kann — sondern weil eine vermeintlich von Regeln geprägte Weltordnung infrage gestellt wurde.

Die Reaktion in Bern: Von Selbstbewusstsein zur Ernüchterung

Zunächst reagierte der Schweizer Bundesrat mit Selbstbewusstsein. Man wies auf die liberalen Schweizer Strukturen hin: Alle Industriezölle seien abgeschafft, Schweizer Firmen investierten in den USA, man sei ein verlässlicher Partner. Doch je länger der Handelskonflikt andauerte, desto mehr Zweifel sicker­ten durch.

Ein wichtiger Punkt: Die Schweiz musste erkennen, dass sie nicht automatisch die privilegierte Stellung hat, die sie oft annahm. Waren es bislang Wettbewerber, die sanktioniert wurden? So glaubte man in Bern — doch es traf auch «den Musterschüler».

Die Gedanken in der Schweiz verlagerten sich von: „Wir schaffen das“ hin zu: „Was müssen wir tun, damit wir nicht zum Ziel werden?“ Dabei rückte ein Begriff in den Vordergrund: Planungsunsicherheit. Wie Avenir Suisse schrieb: „Die Schweiz kann zwar herausragend sein – und ziemlich schlau. Aber sie ist auch verwundbar, wenn sie zwischen die Fronten von Grossmächten gerät.“ A

Wirtschaftliche Folgen: Exporteinbruch, Investitionen, Wettbewerbsnachteil

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. So sanken die Schweizer Exporte in die USA um mehr als 20 % im August 2025 nach der Zollerhöhung auf 39 %. Branchen wie Uhren / Präzision, Maschinenbau und Luxuswaren sind besonders betroffen.

Für ein Land, bei dem rund 18 % der Exporte in die USA gehen, war dies kein Randereignis. Gleichzeitig versprach die Schweiz in den Verhandlungen eine Investitionssumme von 200 Mrd. USD bis Ende 2028 in den USA. e

Das Gesamtbild: Ein wichtiger Handelspartner zeigt sich unerwartet opportunistisch. Die Schweiz hat Relevanz, aber weniger Einfluss als gedacht. Die Wettbewerbsbedingungen gegenüber der EU verschlechterten sich — dort galt bereits ein niedrigerer Zollsatz (15 %) als aktuell.

Diplomatie trifft „Gold-Bar-Diplomacy“

In den Verhandlungen setzte die Schweiz unter anderem auf Firmenlobbyismus und Unternehmenskontakte: Schweizer CEOs reisten nach Washington, brachten Geschenke – u. a. einen gravierten Goldbarren sowie eine elegante Tischuhr – und sprachen über Investitionspläne mit Trump. T

Ob und wie stark diese Teil der diplomatischen Taktik war, lässt sich diskutieren – doch sie zeigt exemplarisch, dass Handels- und Wirtschaftspolitik heute zunehmend hybriden Charakter annimmt: Industrievertretung, strategische Investments, persönliche Nähe zur Machtzentrale.

Der Deal: Rücknahme, aber mit Preis

Am 14. November 2025 wurde eine Rahmenvereinbarung mit den USA verkündet: Die Zölle auf Schweizer Exporte sollen auf 15 % gesenkt werden – auf das Niveau, das bereits mit der EU gilt. Im Gegenzug werden von der Schweiz Zugeständnisse gemacht – z. B. in Form von Quoten für US-Agrargüter wie Rind- und Bisonfleisch sowie Geflügel.

Für die Schweiz bedeutet das: Das Schlimmste ist abgewendet, doch der Preis ist hoch – sowohl materiell (Zölle, Exportrückgang) als auch symbolisch: Die Schweiz ist nicht mehr automatisch privilegiert, sondern Teil eines globalen Machtspiels.

Was bleibt? Drei Lehren für die Schweiz

1. Die Illusion der „Freundschaft“ im Handel

Handel scheint oft als Sach- und Regelgeschäft; doch politische Kalküle dominieren zunehmend. Die Schweiz – obwohl als „verlässlicher Partner“ bekannt – erlebt nun, dass Freundschaft im Handel nicht gleichbedeutend ist mit Schutz vor Zöllen oder Sanktionen.

2. Diversifikation wird zur Pflicht

Dass die USA ein wichtiger Markt sind, bleibt unbestritten. Doch eben: zu wichtig kann gefährlich sein. Die Schweiz reagiert bereits: Neue Handelsabkommen mit Indien, Mercosur, Thailand werden forcierter

3. Wettbewerbsfähigkeit und Eigenständigkeit sichern

In einer Welt, in der ein einzelner Politiker kurzfristig die Spielregeln ändern kann, wird Planungssicherheit zur rareren Ressource. Die Schweiz sollte ihre Standortbedingungen weiter stärken: Regulierung abbauen, Innovationskraft fördern, Transparenz stärken – damit sie nicht nur reagiert, sondern agiert.

Ausblick: Was kommt als Nächstes?

  • Verhandlungen weiterführen: Die Rahmenvereinbarung von November ist nur der Anfang. Es bleibt offen, welche weiteren Zugeständnisse die Schweiz noch leisten wird – und wie robust die Vereinbarung ist.
  • Industrie im Wandel: Schweizer Exportbranchen müssen sich auf erhöhte Volatilität einstellen. Sorgfältiges Risiko- und Szenariomanagement wird wichtiger.
  • Geopolitische Aufstellung: Wirtschaftspolitik wird zunehmend Teil der Außen- und Sicherheitspolitik. Die Schweiz wird sich fragen müssen, mit wem sie strategisch zusammenarbeitet – nicht nur wirtschaftlich.
  • Binnenmarkt stärken: Wenn der globale Handel mit Unsicherheit behaftet ist, wird der Inlandmarkt und die regionale Wertschöpfung wichtiger. Gleichzeitig bleibt der Fokus auf Hochwertigkeit

websetcom

Kommentare